Unsere Pressewartin Natalie Kurt führte ein Interview mit Regina und Kersten, welche bei uns regelmäßig den "Polizeilehrgang" durchführen.

1. Für wen ist das Gelassenheitstraining überhaupt geeignet? Wir wollen ja eigentlich keine „Polizeireiter“ werden :)
Regina:
Das Gelassenheitstraining ist als Baustein einer abwechslungsreichen Ausbildung für jeden Reiter - gleichgültig ob Freizeit- oder Turnierreiter - geeignet. Es sorgt für mehr innere Balance beim Pferde und wirkt sich positiv auf die Beziehung zwischen Pferd und Reiter aus.

2. Könnte theoretisch jeder mitmachen oder braucht man einen bestimmten Leistungsstand?
Kersten:
Bei uns kann jeder mitmachen, unabhängig von Vorwissen, Leistungsstand und Alter. Wichtig ist einfach nur, die Aufgaben, Schwierigkeitsgrade und vor allem die Länge der Trainingseinheiten an den Leistungsstand von Pferd und Reiter anzupassen. Uns ist abhängig vom Alter und Leistungsstand eine enge Begleitung sehr wichtig. Aufgrund dessen arbeiten wir in einer 1-zu-1-Betreuung, um jedes Training individuell an körperliche Voraussetzungen sowie an Leistungsstand von Pferd und Reiter anzupassen. Eine Über- oder Unterforderung von Pferd und Reiter vermeiden wir dadurch und können jederzeit wichtige Details ansprechen und vertiefen. Außerdem wird die Unfallgefahr deutlich minimiert.

3. Welche Voraussetzungen sollten Pferd und Reiter mitbringen?
Regina:
Das Pferd muss halfterführig sein und damit einen Grundgehorsam besitzen. Der Reiter sollte Interesse an seinem Pferd haben.
Kersten:
Das ist leider nicht immer gegeben.
Regina:
Spaß an der Arbeit im Team mit seinem Pferd ist für Erfolge wichtig und entwickelt sich oft im Training. Das ist zwar eigentlich alles selbstverständlich. Allerdings haben wir in der Vergangenheit immer wieder festgestellt, dass es keine Selbstverständlichkeiten gibt. Alles andere wird im Rahmen der Trainingsstunde erarbeitet und angepasst.
Kersten:
Gerne weisen wir darauf hin, dass insbesondere bei jüngeren Pferden entweder viele und auch längere Pausen eingelegt werden oder auch die Trainingseinheit eher beendet wird, um eine Überlastung zu vermeiden. Man unterschätzt den Anspruch, der an die Pferde gestellt wird, sehr schnell.

4. Gibt es bestimmte Pferderassen oder auch ein bestimmtes Alter, das besonders gut/besonders schlecht geeignet ist für so einen Kurs oder liegt es eher am Führer/Reiter?
Regina:
Grundsätzlich ist jede Pferderasse für das Training geeignet. Natürlich gibt es mutigere und ängstlichere Pferde, aber das macht keinen Unterschied hinsichtlich der Geeignetheit, sondern lediglich hinsichtlich des Trainingsaufbaus. Wir bemerken lediglich bei vielen älteren Pferden - wobei wir hier von einem Alter ab ca. 8 Jahren, also immer noch jungen Pferden sprechen - dass ihnen durch die Menschen die Neugier abtrainiert wurde. Das ist schade und insbesondere bei ängstlichen Pferden kann das durchaus zu schwierigen Situationen führen, da die Pferde sich nicht mehr mit ungewöhnlichen Situationen auseinandersetzen und dann irgendwann der Fluchtinstinkt Überhand gewinnt.
Alles andere liegt tatsächlich am Reiter. Wir sind von Haus aus auf Erfolg getrimmt und messen uns immer nur an "Erfolgen". Wir sind stolz, wenn wir am Ende des Tages besonders viele und am besten möglichst spektakuläre Aufgaben absolviert haben. Die wirklichen Erfolge, nämlich das Wachsen des Pferdes an den Aufgaben, gehen häufig unter. Wir sehen, welche spannenden Aufgaben die anderen Reiter und Pferde gemacht haben und möchten das auch. Aber jeder Reiter und jedes Pferd bringt andere Voraussetzungen mit. Was für andere normal und selbstverständlich ist, ist für andere ein Riesenerfolg. Wir müssen lernen zu schauen, wo wir herkommen und unsere Erfolge daran messen und nicht an anderen. Das macht einerseits bescheiden, aber andererseits stolz.

5. Sollte man eher mit dem Pferd oder auf dem Pferd mitmachen? Welche Kriterien spielen da mit?
Regina:
Na ja, grundsätzlich nimmt man auf dem Pferd ja auch mit dem Pferd teil, oder? Aber ich weiß, was Sie meinen. Wir fangen grundsätzlich am Boden an. Das liegt an unserer Trainingsphilosophie.
Kersten:
Wir überprüfen zunächst am Boden das Miteinander von Pferd und Reiter. Dabei haben wir nebenbei die Möglichkeit Balance und Beweglichkeit des Pferdes einzuschätzen, ohne störendes Reitergewicht. Wenn wir dann an die geführte Gelassenheitsarbeit gehen, erklären wir dem Reiter, was sein Pferd ihm in der konkreten Situation mitteilt.
Regina:
Dies ist natürlich sehr individuell, feinste Details sprechen wir an. Viele Missverständnisse und daraus resultierende Unfälle könnten vermieden werden, wenn wir mehr auf unser Pferd gehört bzw. seine Signale verstanden hätten.
Kersten:
Wenn die Basis am Boden stimmt, geht es bei uns in den Sattel.

6. Dressurreiter sind in der Regel in ihrem Viereck zuhause, warum ist so ein Training für sie trotzdem empfehlenswert? Schließlich reiten Dressurreiter ja nicht bei einer Demo...:=)
Regina:
Das ist richtig, aber manches Dressurviereck auf einem Turnier hat schon einmal einen ähnlichen Charakter... ;-)
Aber ernsthaft. Wir möchten in einer Dressur die Losgelassenheit von Pferd und Reiter. Dabei wird häufig übersehen, dass die innere Losgelassenheit des Pferdes die äußere Losgelassenheit bedingt. Heißt - ein innerlich verspanntes Pferd wird niemals locker über den Rücken laufen und vernünftig aus der Hinterhand kommen.
Das gleiche gilt für den Reiter. Ich kann mir vorher lange Gedanken machen, wie mein Pferd wohl mit den Regenschirmen am Rand des Dressurvierecks klarkommt oder was es zu den Richterhäuschen, der Blumendeko oder sonstigen "störenden" Nebensächlichkeiten sagt. Oder ich kann einfach viele verschiedene Dinge trainieren, mein Pferd, sein Verhalten und seine Reaktionen in Stressmomenten kennenlernen und verstehen, wie ich mit diesen Situationen umgehen und sie ggf. entschärfen kann. Außerdem lernen die Reiter mit ihren eigenen Stressmomenten umzugehen.
Kersten:
Das ist ein ganz wichtiger Aspekt - Stressmomente beim Reiter. Wesentliche Bausteine unseres Trainings befassen sich mit dem Verhalten des Reiters im Sattel und am Boden. Wir möchten, dass die Reiterinnen und Reiter sich selbst reflektieren: Wie bewege ich mich? Wie atme ich? Wie wirke ich auf mein Pferd? Kommunikation ist keine Einbahnstraße vom Pferd zum Reiter.

7. Was sind die größten Herausforderungen bei dem Kurs?
Regina:
Seine eigenen Ansprüche an sich und sein Pferd zu kontrollieren.

8. Inwiefern profitieren Reiter und Pferd von Ihrem Kurs?
Kersten:
Ich hofffe, dass das in den bisherigen Antworten deutlich wurde. Pferd und Reiter haben mehr Verständnis füreinander und bewältigen im Team Aufgaben. Der Reiter lernt sein Pferd und sich selbst besser kennen und kann dieses Wissen in Stressmomenten abrufen.

9. Warum kann Ihr Gelassenheitskurs im Prinzip für jedes Pferd und jeden Reiter ein Gewinn sein?
s.o.

10. Wann sollte man auf keinen Fall mitmachen?
Kersten:
Wenn man nicht bereit ist, sich auf sein Pferd einzulassen und etwas erzwingen will. Diese Teilnehmer beenden bei uns den Kurs frühzeitig.

11. Welche Übung birgt die größte Herausforderung? (Feuer??)
Regina:
Das mag vielleicht zu den von außen betrachtet spektakuläreren Übungen gehören, ist aber nicht zwingend die größte.
Letztlich ist das individuell von Pferd zu Pferd und Reiter zu Reiter unterschiedlich und kann auch schon einmal tagesformabhängig sein. Das ist das, was wir zu Beginn gesagt haben. Für das eine Pferd kann es ein riesiger Erfolg sein einen Huf auf eine am Boden liegende Decke zu stelle. Ein anderes Pferd galoppiert unter einem Schwungtuch mit Nebel durch, während an den Ecken ein Feuer brennt. So ist es schließlich für einige von uns auch schon eine Herausforderung einen kleinen Hügel mit den Skiern zu bewältigen, während andere eine schwarze Piste fahren und das auch noch genießen.
Für uns sind tatsächlich die ersten Minuten beim Führtraining/Stangentraining häufig die spannendsten, weil wir i.d.R. dann schon abschätzen können, wie der Rest des Trainings verläuft. 

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